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Eine Vielfalt an Bezugspersonen stärkt die Kindesentwicklung

Kind sieht Großeltern an und lacht.
Kinder suchen sich ihre Bezugspersonen im Leben (unbewusst) selbst aus. / Bild © NDABCREATIVITY, Adobe Stock.

Wusstest du, dass es gut für die Entwicklung deines Kindes sein kann, wenn es unterschiedliche Bezugspersonen im Leben hat? Was dahintersteckt, erfährst du hier.

Vielleicht kennst du den Spruch „Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ 

Doch wie kann dieses „Dorf“ an Bezugspersonen um das Kind herum heutzutage aussehen? Und wie stellen Eltern sicher, dass eine Bezugsperson des Kindes ihm wirklich guttut? Sind Bezugspersonen dasselbe wie Bindungspersonen? All das klären wir jetzt.

Bezugsperson ≠ Bindungsperson

Zuallererst: Bindungspersonen sind nicht dasselbe wie Bezugspersonen.

Bindungsperson sind die Menschen, die mit dem Baby nach seiner Geburt am meisten Zeit verbringen und ihm Liebe, Fürsorge, Pflege, Geborgenheit und Nähe schenken. In den meisten Familien sind die Bindungspersonen die beiden Elternteile.

Je nach Familienkonstellation und Lebensrealität kann die zweite Bindungsperson aber auch die Tante, die Oma oder der Freund des Papas sein. Das ist bei Patchwork-Familien oder bei Müttern oder Vätern, die alleinerziehend sind, häufig der Fall. 

Bis zu einem Alter von etwa 18 Monaten nimmt sich das Kind als Einheit mit den Bindungspersonen wahr. Erst mit Beginn der Autonomiephase versteht es, dass es andere Gefühle und Bedürfnisse haben kann als seine Bindungspersonen.

Bezugspersonen hingegen sind die Menschen, denen das Kind nach den Bindungspersonen am nächsten steht und denen es vertraut. 

Wie Bezugspersonen entstehen

Während seines Aufwachsens kommen ganz natürlich Bezugspersonen ins Leben des Kindes. Ähnlich wie auch im weiteren Lebensverlauf bleiben manche Bezugspersonen länger, andere gehen nach einiger Zeit wieder und neue kommen hinzu. 

Im Endeffekt kann jeder Mensch eine Bezugsperson für das Kind sein, die es nach den Bindungspersonen am intensivsten in seinem Leben begleitet.

Um solche Beziehungen neben der zu seinen Eltern aufbauen zu können, braucht das Kind Zeit. Denn Beziehungen bilden sich über …

  • einen regelmäßigen Austausch auf Augenhöhe, der Vertrauen schafft
  • Gemeinsamkeiten im Spiel, in der Sprache und im Miteinander
  • ähnliche Werte (im Kindesalter noch unbewusst)
  • gemeinsame Erfahrungen
  • Erinnerungen an Erlebnisse, die man miteinander teilt

Wenn Oma etwa mehrmals in der Woche zu Besuch kommt, kann sie genauso eine Bezugsperson für das Kind sein, wie die Nachbarin, die gelegentlich auf einen Kaffee vorbeischaut und die denselben Sinn für Humor wie dein Kind hat. 

Auch etwa andere Kinder, wie die deutlich ältere Cousine oder die jüngeren Geschwisterkinder, mit denen dein Kind trotz großem Altersunterschied am liebsten spielt, können Bezugspersonen sein.

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Wichtig: Das Kind sollte selbst wählen (dürfen)

In der Regel suchen sich Kinder ihre Bezugspersonen aus, allerdings nicht bewusst. Es ist viel mehr ein intuitiver Prozess.

Beispiel Familie: Die Patentante kommt regelmäßig zu Besuch, um mit dem Kind zu spielen. Das Kind wiederum bevorzugt es, mit dem Partner der Patentante zu spielen.

Beispiel Freunde: Dein bester Freund kommt mit seinen eigenen Kindern oft zum gemeinsamen Spielen vorbei. Dein Kleinkind blüht aber eher bei deiner Freundin auf, die weiter weg lebt und die das Kind nur selten sieht. Es fragt regelmäßig nach ihr und ihren Kindern.

Beispiel Kita: Die zugewiesene Bezugsfachkraft macht die Eingewöhnung mit deinem Kind. Kurz danach stellt sich heraus, dass das Kind sich viel eher zu einer anderen Fachkraft hingezogen fühlt und am liebsten mit dieser spielen möchte. 

Du siehst … Beziehungen sind individuell und benötigen Pflege sowie das innere Gefühl von Vertrautheit. 

Und ja, du wählst natürlich vor der Geburt etwa den Patenonkel. Gleichzeitig werden deine eigenen Eltern automatisch zu Großeltern, sobald das Kind geboren wird. Dass diese Beziehungen aber auch so eng werden, wie du es dir vielleicht vorher gewünscht hast, kannst du nicht wissen. Und schon gar nicht erzwingen.

Übrigens: Selbst wenn du regelmäßig die Verabredungen mit den von dir gewählten Bezugspersonen deines Kindes ausmachst, ändert das nichts.

Vermutlich wird die Person eine wichtige Person im Leben des Kindes bleiben, allerdings keine, der es wahrhaftig von innen heraus vertraut und sich nahe fühlt.

Dieser Effekt stellt sich nur dann ein, wenn es selbst die Wahl hat. Bezugspersonen sind also niemals zufällig. Wir haben – sowohl als Kind als auch als Erwachsener – immer die Wahl, mit wem wir unsere Lebenszeit verbringen möchten, wenn man sie uns lässt.

Der Vorteil verschiedener Bezugspersonen für die Entwicklung

Wenn dein Kind verschiedene Bezugspersonen in seinem Leben hat, kann das sehr förderlich für seine Entwicklung sein. Denn unterschiedliche Bezugspersonen schaffen …

Vielfältige Rollenvorbilder

Jeder Mensch ist individuell und kann durch seine Einzigartigkeit eine Vielfalt an Werten, Gefühlen und Erfahrungen mitbringen. Da dein Kind hauptsächlich durch Nachahmung lernt, wird ihm das eine große Auswahl an Rollenvorbildern geben.

Vielzahl an Lernerfahrungen

Dasselbe gilt für individuelle Erlebnisse mit den unterschiedlichen Bezugspersonen. Mit dem eher ruhigen, nachdenklichen Opa macht das Kind andere (Lern-)Erfahrungen als mit der abenteuerlustigen Tante. Dasselbe gilt für einen Ausflug ins Theater, der mit den Eltern ganz anders verläuft als mit den Fachkräften der Kita. 

Und alles ist jeweils gleichwertig wichtig, damit dein Kind sich in dieser Welt erfahren kann.

Emotionale Unterstützung und Sicherheit

Wenn ein Mensch vertrauensvolle Bezugspersonen in seinem Leben hat, fühlt er sich automatisch sicherer, auch wenn es mal zu Krisen kommt. Dein Kind hat dann die Wahl, wem es sich mit seinem Gefühl anvertraut.

Festen, unterschiedliche Bindungen schenken ihm somit eine große emotionale Sicherheit in seinem Leben. 

Anpassungsfähigkeit, Offenheit, Flexibilität

Je unterschiedlicher die Menschen sind, die wir als Erwachsene im Freundes- und Familienkreis haben, desto stärker kann sich der individuelle Horizont erweitern. Bei deinem Kind ist es genauso.

Obendrein fördern vielfältige Bezugspersonen die Fähigkeit deines Kindes, auf andere Menschen zuzugehen und Individualität wertzuschätzen. Später fällt es deinem Kind womöglich leichter, auch mal durch Konflikte zu gehen oder Kompromisse zu finden. 

Wie finde ich diese Menschen für mein Kind?

Du brauchst andere Bezugspersonen für dein Kind niemals aktiv zu suchen. Wie oben bereits erwähnt, tut dein Kind das ohnehin von selbst, wenn du es „machen“ lässt.

Allerdings kannst du ihm über eure Alltagsgestaltung Angebote machen, damit es auch die Wahl hat, wer seine Bezugspersonen sein sollen: 

  • Soziale Interaktionen in eurer direkten Umgebung: Gehst du offen auf die Menschen in eurer Nachbarschaft zu, hilfst du bei der Freundin aus, die gerade ein Baby bekommen hat oder engagierst du dich ehrenamtlich im Wohnort, wird dein Kind es dir gleichtun. Durch diese Interaktionen mit anderen Menschen können wertvolle Verbindungen für dein Kind entstehen oder gestärkt werden. 
  • Familie und Freunde: Regelmäßige Besuche, Feste, gemeinsame Erlebnisse oder Ausflüge mit deinem Familien- und Freundeskreis – sofern ihr ein vertrauensvolles Verhältnis habt – sind wertvoll, damit auch dein Kind prüfen kann, zu wem es sich hingezogen fühlt und wer wiederum eine Bezugsperson sein kann. 
  • Kita, Schule, Freizeit und Co.: Nimm neben dem regulären Alltag auch an den Kita-Festen teil oder besuche mit deinem Kind eine Musikgruppe. Soziale Aktionen sind wundervoll, damit dein Kind Erfahrungen machen und Beziehungen aufbauen kann. 

Habt ihr nur wenig Austausch außerhalb eurer Kernfamilie, empfehlen wir private Verabredungen, Spielgruppen oder Freizeitangebote wahrzunehmen, damit dein Kind hier eine größere Auswahlmöglichkeit an Bezugspersonen hat.

Bezugspersonen, denen du nicht vertraust

Falls dein Kind eine Bezugsperson hat, der du aus bestimmten Gründen nicht vertraust, solltest du nicht allzu lange abwarten.

Am besten sprichst du zunächst alleine mit deinem Kind. Versuche ihm kindgerecht zu schildern, was dich zweifeln lässt. 

Beispiel: „Ich habe mitbekommen, dass euer Musiklehrer heute mit Sascha laut geschimpft hat, macht er das mit dir auch?“

Beobachte dein Kind, wenn es dir antwortet und vertraue deinem elterlichen Bauchgefühl, wenn du weiterhin das Gefühl hast, dass etwas nicht stimmt. Ansonsten hilft es auch immer, sich mit den anderen Bezugspersonen des Kindes auszutauschen und sich verschiedene Meinungen einzuholen.

Um dich generell sicherer zu fühlen, kannst du mit ihm auch ein Kennwort festlegen, was etwa nur ihr kennt. Dieses Kennwort kann es dann dir gegenüber nutzen, sobald es sich mit anderen Bezugspersonen aus irgendeinem Grund unwohl fühlt. 

Hole dir in solchen Situationen auch gerne professionelle Unterstützung, um auf der sicheren Seite zu sein: 

  • Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, mit Möglichkeiten der Online-Beratung für Eltern mit Kindern von 0 bis 3 Jahren: www.bke.de
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch – Telefonnummer: 0800 22 55 530
  • „Nummer gegen Kummer“ Elterntelefon: 0800 111 0550
  • Telefonseelsorge Deutschland: 0800 / 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123
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Fazit

Vielfältige Bezugspersonen stärken die Entwicklung deines Kindes. Wichtig ist, dass das Ganze vom Kind ausgeht und du ihm keine Bezugspersonen aufdrängst.

Beziehungsaufbau benötigt Zeit und Pflege. Je mehr soziale Interaktionen dein Kind in seinem Alltag hat, umso mehr Möglichkeiten hat es, sich seine Bezugspersonen selbst auszusuchen. Als Elternteil kannst du hier den Rahmen dafür geben. 

Falls du mal am Vertrauensverhältnis einer Bezugsperson zweifelst, scheue dich nicht davor, dem Gefühl nachzugehen. 

Wir wünschen dir und deinem Kind ein tolles Aufwachsen inmitten von verschiedensten, vertrauensvollen Bezugspersonen.

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Quellen

  • Bürgin, Dieter (1993). Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
  • Caby, Filip und Andrea (2011). Die kleine psychotherapeutische Schatzkiste. Tipps und Tricks für kleine und große Probleme vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. (2. Auflage). Dortmund: Borgmann Media.
  • Dilling, Horst, Freyberger, Harald J. (2016): ICD-10. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. (8. Auflage). Hogrefe Verlagsgruppe.
  • Greving, Prof. Dr. Heinrich, Ondracek, Prof. Dr. Petr (2010): Handbuch Heilpädagogik. (2. Auflage) Troisdorf: Bildungsverlag EINS GmbH.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Siegel, Elaine V. (1997): Tanztherapie. Seelische und körperliche Entwicklung im Spiegel der Bewegung. Ein psychoanalytisches Konzept. (4. Auflage) Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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